Johannes Thomas Rettl, seines Zeichens Inhaber in fünfter Generation und schöpferische Kraft von RETTL 1868: Sein Ur-Urgroßvater stattete hochrangige Offiziere und Würdenträger aus, er selbst kleidet die internationale Prominenz und zahlreiche Anhänger der unkonventionellen Modekreationen mit Kärnter-Schottischem Charme. Sein Kärnten-Karo und der Kärnten-Kilt sowie die legendären Alpen Highland Games haben ihn weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht.

Die Medien, in denen er immer wieder mit schrägen Events á la Rettl Schlagzeilen macht, betiteln ihn als Edelschneider, Traditionsschneider, Promi-Schneider, Kilt-Apostel oder Karo-Schneider. Bei den Leuten in der Region gilt er als „kommoter Kerl“: bodenständig, geradlinig und alles andere als unnahbar.

„Marke muss etwas Besonderes sein und bleiben –
nachvollziehbar und ehrlich.“

Über Spezialisierung

Ihre Durchlaucht räumt auf.

Wie von den meisten Handwerkern forderte die industrielle Fertigung auch von den Schneidern Wandlungsfähigkeit. Das Aufkommen der Konfektion und der Vormarsch der Bekleidungsindustrie entzog denen, die sich nicht den neuen Bedingungen anpassen und eine Nische für sich finden konnten, langsam aber sicher die Existenzgrundlage. Massenware und immer billigere Bekleidung bedeuteten das Ende für Weber, Kürschner, Schuster, … eine ganze Sparte wurde und wird noch immer Schritt für Schritt abgedrängt.

Thomas Rettl übernahm 1991 den väterlichen Betrieb. Als Modefachgeschäft mit angeschlossener Maßschneiderei konnte man dem Druck der Großkonzerne standhalten, hatte aber natürlich dennoch mit ernsthaften Schwierigkeiten zu kämpfen. Entsprechend seinem Naturell ging Thomas Rettl unbeschwert und voller Elan an die Sache heran, traf Entscheidungen intuitiv und erfüllte die Marke RETTL mit seinem „gesundem Hausverstand“ mit neuem Leben – um Jahre später festzustellen, dass er genau nach Lehrbuch vorgegangen war.

Die große Wende kam mit dem Kärnten Kilt: „Es war nicht einmal eine Nische, es war gar kein Markt da.“ Der Kärnten Kilt, das Kärnten Karo und alles, was sich in Folge daraus entwickelte, sorgte für enormes Aufsehen. Thomas Rettl wurde als absoluter Spezialist in einem Bereich wahrgenommen, den er selbst unter Einbindung all seiner Kompetenzen, seiner Werte und seines Wesens geschaffen hatte. Diese Spitze erlaubte es schließlich, sich auch in die Breite weiter zu entwickeln und die Marke RETTL neu zu etablieren.

Über Preise und Werte

Die Unterscheidungsqualität für den Konsumenten ist massiv gesunken.

Nicht nur in der Bekleidungsbranche ist die Preisgestaltung für den Konsumenten meist nicht mehr nachvollziehbar und nimmt zum Teil absurde Ausmaße an. Wer sich für den Preiskampf entschieden hat, wird immer auf jemanden stoßen, der Vergleichbares noch billiger anbietet. Die „großen Marken“ dagegen sind gezwungen, riesige Spannen einzukalkulieren, um sich ihren „Einserplatz“ auf den Shoppingmeilen der Metropolen zu sichern. Der Qualitätsunterschied zwischen „billig“ und „sauteuer“ ist in Folge oft gar nicht so groß, wie man aufgrund des Preisunterschieds annehmen möchte. „In der Bekleidungsbranche ist oft nur noch ein Markengerüst da, von der Qualität austauschbar, für den Kunden nicht mehr unterscheidbar.“ Thomas Rettl fehlt absolut die Arroganz so mancher Designer, für die ihr Name selbst schon ein unschlagbares Kaufargument darstellt.

Was die Marke RETTL im Prinzip anbietet, ist die Erfüllung eines Grundbedürfnisses, das immer schwerer zu stillen ist: Der Wunsch nach dem BESONDEREN.

Und dieses Besondere wird exzessiv gelebt: Kunden aus aller Welt werden nach Villach eingeladen und im besten Hotel der Stadt untergebracht, um sich bei RETTL einkleiden zu lassen. Jedes Kleidungsstück erzählt eine Geschichte und wird dem Träger individuell angepasst. Einzelstücke, gefertigt von den letzten Handwerkern ihrer Zunft, sind hier zu finden. Wenn es um Gewinnmaximierung gehen würde, wäre in jedem größeren Einkaufszentrum ein Shop mit billigen Sakkos und Karo-T-Shirts zu finden. Aber Thomas Rettl hat sich für einen anderen Weg entschieden.

Über Wachstum

Wachstum ja, aber unter bestimmten Voraussetzungen: Vergrößerung darf nicht eine Verminderung der Intensität bedeuten.

Eine reine Ausdehnung, ohne mit einer Stärkung der Marke einherzugehen, würde dem Aufblasen eines Ballons gleichen. Um die Marke RETTL 1868 kompakt und stabil zu halten, geht Thomas Rettl gerne auch einmal einen Schritt zurück. So wird eine Filiale, die sich auf Grund der räumlichen Distanz und diverser in den Weg gelegter Steine nicht in die gewünschte Richtung entwickelt hat, in Kürze wieder geschlossen.

Die Alpen Highland Games, die, wie viele gar nicht mehr wissen, auf Thomas Rettl zurückgehen, konnte zuletzt 400 Teilnehmer und 10.000 Zuschauer an einem Wochenende verbuchen. Thomas Rettl organisierte daraufhin wieder einen kleinen, aber feinen Event: 2012 fand die erste Kiltwanderung statt, bei der der Weg durch die spektakuläre Groppensteinschlucht zu einem kleinen Gourmet-Mekka am Berg führt – ein kulturell-kulinarisches Erlebnis mit schräger Musik, Mode und genauso einfachen wie spaßigen Challenges wie „Tschurtschen-Schmeißen“ oder „Jodelcontest“. Ob Romantik-Kirchtag, „Happy Cooking“ in Lech am Arlberg oder „Karierte Marktzeit“ – wenn Thomas Rettl die Finger im Spiel hat, wissen die Leute, dass sie mit einem Erlebnis der Extraklasse zu rechnen haben.

Die Marke RETTL 1868 ist weit mehr als extravagante Mode – Sie steht für ein intensives, wildes und zugleich bodenständiges Lebensgefühl.

Über Luxus

Manchmal liegt der große Luxus in der Einfachheit.

Bei RETTL geben sich hochkarätige Gäste, für die das Feinste vom Feinen eine Selbstverständlichkeit ist, die Klinke in die Hand. „Wenn 5 Stern-Hotel und Haubenküche alltäglich sind, wird ein großes Bier und ein voller Teller mit etwas „Angebrenntem“ zum kulinarischen Erlebnis.“

Über Bildung

In vielen Schulen werden Leute für Jobs ausgebildet, die es gar nicht mehr gibt.

Die Schulbank war immer zu eng für Thomas Rettl. Dinge lernen zu müssen, die für ihn vollkommen logisch und aus der Praxis im Familienbetrieb längst vertraut waren, gab ihm das Gefühl, seine wertvolle Zeit zu vergeuden. Dennoch kämpfte er sich durch bis zur Matura, um anschließend „auf die Walz“ zu gehen, wo er sich in englischen Küchen genauso wie bei einem Muschelzüchter in Italien verdingte. Als weit gereister und lebenserfahrener 20-jähriger Berufsschüler schlug er im Bildungssystem wieder hart auf. Die Lebenslust war stärker als die Lust auf den Meisterbrief, und so eröffnete er gemeinsam mit einem Kumpel – gegen den Willen seiner Eltern – die „Villa d´Alto“, wo er seinen Hang zu kulinarischen Höhenflügen auslebte.

Im Rückblick sind das interdisziplinäre Wissen und die Erfahrungen – die er nie gesammelt hätte, wäre er den „geraden Weg“ gegangen – von unschätzbarem Wert.

Über seinen größten Verdienst

Von Konventionen habe ich noch nie viel gehalten.

Genauso unkonventionell und frei, wie er in allen Dingen ist, ist auch seine große, bunte Familie: Gemeinsam mit seiner dritten Frau Nathaly führt er das Unternehmen: sie als Design-Teamleiterin, er als Stratege, Impulsgeber und Gesicht der Marke. Karin, zweite Ehefrau und Mutter zweier Kinder, hat bei RETTL die organisatorischen Fäden in der Hand und ist auch im Familienleben voll eingebunden. Fünf Patchwork-Kinder sind Thomas Rettls ganzer Stolz, wobei der jüngste Spross, Johannes Cameron Rettl, in Sachen Kreativität bereits in die Fußstapfen seines Vaters tritt.

Über seine Lachmuskel-Attacken

Es wird immer schwieriger, ein bisschen negativ aufzufallen.

Der eine oder andere wird bei der Erinnerung noch erzittern: Eine Horde von wilden Eingeborenen in teils eigentümlicher Gewandung verbreitete jahrelang Angst und Schrecken im Raum Villach und Umgebung. Öffentliche Veranstaltungen, TV-Aufzeichnungen, selbst festliche Anlässe im Familienkreis waren vor der Truppe nicht sicher. Probate Bürger und Prominente mussten sich auf die Schaufel nehmen lassen, akkurat geplante Abläufe wie beim Villacher Fasching wurden durch archaische Tanzeinlagen sabotiert. Neben mehreren erfolgreichen, angesehenen Unternehmern stets an vorderster Front mit dabei: Thomas Rettl – den nichts mehr erheitert als das Aushebeln unangebrachter Ernsthaftigkeit und die damit verbundenen Gesichtsentgleisungen.

Was das mit Marke zu tun hat? Alles, was die Persönlichkeit Thomas Rettl ausmacht, manifestiert sich in der Marke RETTL 1886: Freiheit, Patriotismus, Grenzüberschreitung, Kreativität, Stolz, Leichtigkeit und Ironie.

Über Religion

Der beste Geschäftsmann der Welt verkauft seit über 2000 Jahren die Bibel.

Ein großes Ziel von Thomas Rettl & Kumpanen ist es, eine eigene Religionsgemeinschaft zu gründen. Was genau da auf die Menschheit zukommen wird, wird an dieser Stelle mit einem vielsagenden Schmunzeln offen gelassen.

Über den wahren Ursprung des Kärntner Kilt

„Sch…, jetz muass i mir a neichs G´wandl mochn“.

Ein verliehenes und nicht wieder zurückgebrachtes Outfit wurde für Thomas Rettl zum Ärgernis und für die Marke RETTL zum historischen Startschuss: Auf die Schnelle musste sich Thomas Rettl für ein geplantes Event neu ausstaffieren und arbeitete dazu einen traditionellen Kärntner Anzug nach seinen Vorstellungen um. Mit dem Ziel, Geschichte und eine starke Symbolik einzuarbeiten sowie die Kärntner-Schottische Freundschaft zu honorieren, entstand der Ur-Kärnten Kilt.

Was Thomas Rettl erst später klar wurde, war, dass es in Kärnten generell an einem „Dress“ fehlte, das zeitgemäß ist, akzeptiert wird und es erlaubt, Nationalstolz zu zeigen, ohne sogleich in einer extremistischen Schublade zu landen. Diese Erkenntnis und ein Zeitungsartikel über den traditionellen Kärntner Anzug, der Thomas Rettl veranlasste, sich in seinem Kärnten Kilt zu präsentieren, brachte den Stein ins Rollen.

Über Tradition

Ein genauerer Blick hinter die Entstehung von Traditionen zeigt, dass die meisten vor gar nicht allzu langer Zeit und auf recht lapidarem Wege entstanden sind.

Der Kärnten Kilt von Thomas Rettl löste 1999 einen wahren Medienhype aus: Was die einen begeistert aufgenommen haben, wurde von den anderen als Affront verstanden und scharf kritisiert. Speziell von Seiten des Kärntner Heimatwerks, das sich als Bewahrer der Tradition versteht, kam erbitterter Gegenwind. Thomas Rettls Blick über den Tellerrand hatten die Brauchtumsexperten allerdings nichts entgegenzusetzen. Die Fragen „Wie entsteht Mode?“ „Wie entwickelt sich eine Tracht?“ zeigten auf, dass selbst der Kärntner Anzug wie so viele scheinbar ursprünglichen Dinge vor nicht mehr als 100 Jahren künstlich erfunden worden waren und sich nach dem „Stille Post“-Prinzip entwickelt hatten.

Schlussendlich kam es beim Heimatwerk doch zu einer Adaptierung der Toleranzgrenze, wenn es um die Entstehung von Traditionen geht: Die steigende Nachfrage inspirierte die Designer zum sogenannten „Heimatwerk-Karo“ oder „Kärntner Karo“ – selbstverständlich nicht zu verwechseln mit dem markenrechtlich geschützten „Kärnten Karo“. Mittlerweile ist Thomas Rettl recht entspannt bezüglich der Verteidigung von Markenrechten: „Die Eintragung gibt eine gewisse Sicherheit, aber der beste Schutz ist immer noch die Originalität, die konstant hohe Qualität und der gefestigte Status der Marke RETTL 1868.“

Impressum: Interview: Thomas Stranig, Text: Vero Neubacher, Bilder: Meisterstrasse, Simone Attisani, Georg Pflügl