Einer der wohl erstaunlichsten Auswüchse der Replikation ist der Nachbau des oberösterreichischen Örtchens Hallstatt in China, der 2012 durch alle Medien ging und hierzulande zum Teil mit Empörung, zum Teil amüsiert zur Kenntnis genommen wurde. Die 800 Seelen-Gemeinde ist zu Recht stolz auf seine fast 4000 Jahre zurückreichende Geschichte: Als Namensgeber der „Hallstattkultur“ der älteren Eisenzeit wurde die idyllische Ortschaft 1997 sogar von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die einmalige Architektur der auf engstem Raum übereinander geschachtelten Häuser hat sich aus den geografischen Gegebenheiten entwickelt und verleiht dem Ort einen ganz besonderen Flair. Neben touristischen Sehenswürdigkeiten wie dem bis heute bewirtschafteten Salzbergwerk, der „ältesten Pipeline der Welt“, den keltischen Gräberfunden und dem prähistorischen Museum wird in Hallstatt die über Jahrtausende gewachsene Kultur gelebt und ist in den engen Gassen und Winkeln des Ortes spürbar. Dagegen wirkt der chinesische Zwilling – seitenverkehrt, teils verzerrt und mit so gar nicht alpenländischen Palmen und chinesischen Wegweisern – wie eine leere Hülle. Als Kuriosum der chinesischen Copy and Paste-Kultur wird er wohl in die Geschichte eingehen. Ob er tausende Jahre überdauern wird, darf bezweifelt werden.

„Oft abgelichtet, einmal kopiert, nie erreicht.

Über Hallstatt und eine besondere Geschichte

Im Gespräch mit Bürgermeister Alexander Scheutz

Wir haben Herrn Scheutz, seines Zeichens Bürgermeister von Hallstatt, gebeten, eine kleine Stellungnahme abzugeben und seine Eindrücke des „Copy/Paste“ Projekts in China zu schildern. Hier ist seine Antwort:

„Das Projekt der Minmetals Land Limited hat unserem Ort weltweite Aufmerksamkeit gebracht. Als das Bauprojekt vorletztes Jahr (2011) bekannt wurde, löste dies ein enormes Medieninteresse aus. Fernseh-, Radio- und Printjournalisten aus Europa aber auch aus den USA und dem Arabischen Raum besuchten unseren Ort und machten Reportagen mit vielen Interviews. Als Bürgermeister nutzte ich diese Möglichkeit, sowohl Hallstatts landschaftliche Schönheiten als auch die große geschichtliche Vergangenheit (prähistorische Vergangenheit) entsprechend zu präsentieren.

Im Gegenzug kann ich sagen, dass der Besuch unserer Delegation im Juni 2012 unseren Gastgebern von der Minmetals Land Limited nutzte, ihr großes Immobilienprojekt in Huizhou erfolgreich zu präsentieren. Auf großen Transparenten zeigt man „vor Ort“ Bilder der Feierlichkeiten (siehe Foto). Ob dieses Projekt der lokalen Bevölkerung nutzt, kann ich nicht beurteilen, aber es könnte vielleicht beitragen, den Tourismus in dieser Region zu entwickeln.

Erstmals hörte ich von dem Projekt am 5. Mai 2011 durch ein Mail von Herrn Christian H. Schierer (Österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Hongkong für Hongkong, Macau und Süd-China). Herr Schierer schrieb mir damals, dass eine südchinesische Firma (Property Developer/ Bauunternehmen und Bauentwickler) plane, in der südchinesischen Kreisstadt Boluo, welche zur Stadt Huizhou in der Provinz Guangdong gehört, einen Stadtteil bzw. eine Villengegend im Stile Hallstatts nachzubauen.

Da man dies jedoch offiziell und seriös tun möchte, wären die Verantwortlichen daran interessiert, mit uns über eine eventuelle Städte-Partnerschaft zu sprechen. Herr Schierer fragte an, ob ich als Bürgermeister bzw. die „Stadt Hallstatt“ an solch einem Plan überhaupt interessiert wäre und ob wir bereit wären, eine Delegation aus China zu empfangen.

Ich wurde weiters informiert, dass das Design Team der China Mine Metals Corporation Ltd. Hallstatt bereits im September 2010 besuchte und von Hallstatt sehr beeindruckt war. Und weil im Rahmen dieses Immobilienprojektes die Regierung von Boluo (Huizhou) und die China Mine Metals Corporation die Kultur und die Landschaft von Hallstatt und Österreich der Bevölkerung in China vorstellen möchten, bestehe großes Interesse, mit Hallstatt eine Partnerschaft einzugehen.

Der Bürgermeister von Boluo, Huizhou und die Geschäftsführer der China Mine Metals planen deshalb Anfang Juli (2011) einen Besuch in Hallstatt, wurde mir mitgeteilt.

Ich habe nach mehreren Gesprächen (Mail, Telefon) zugesagt, dass wir selbstverständlich Anfang Juli die Delegation aus China in Hallstatt begrüßen werden. Ich habe aber darauf verwiesen, dass wir auf Grund unserer Ortsgröße, der Einwohnerzahl (800 Einwohner), aber vor allem wegen unserer finanziellen Möglichkeiten sowie der große Entfernung nicht in der Lage sind eine Partnerschaft einzugehen und diese auch entsprechend zu „pflegen“ (die Stadt Boluo hat eine Gesamt-Fläche von ca. 2.800 km² und zählt knapp 820.000 Einwohner). Wir habe aber vereinbart, ein „Memorandum of Friendship Agreement between Hallstatt of Austria and Huizhou of Guangdong P.R. China“, welches wir Anfang Juli in Hallstatt gemeinsam unterzeichnen sollten, auszuarbeiten. Im Memorandum geht es um eine offizielle freundschaftliche Zusammenarbeit und gegenseitigen Erfahrungsaustausch in den Bereichen Kultur, Kunst, Tourismus, Umweltschutz, Bildung und Stadtmanagement.

Am 10. Juni 2011 informierte mich plötzlich die Besitzerin des Hotels Grüner Baum (Hallstatt, Marktplatz), Frau Monika Wenger darüber, dass sie von einem Gast aus China, der für eine chinesische Firma arbeitet die bei diesem Immobilienprojekt (Nachbau von Teilen Hallstatts) mitarbeitet, hörte, dass das Projekt bereits unmittelbar vor der Realisierung stehe. Der Gast zeigte ihr genaueste Pläne, Skizzen und Zeichnungen, auf denen ganz klar der geplante Nachbau des gesamten Marktplatzes samt der Dreifaltigkeitssäule, der evangelischen Christuskirche, des Hotels Grüner Baum erkennbar war. Frau Wenger zeigte mir viele dieser Aufzeichnungen (auf Datenträger). Ich konnte mich von der äußerst detailgetreuen Übereinstimmung der Gebäude persönlich überzeugen.

Ich war sehr überrascht, dass das Projekt schon so weit fortgeschritten war. Es war mir unverständlich, dass man uns über ein Bauprojekt zu einem Zeitpunkt informieren will, wo angeblich bereits gebaut wird. Da Hallstatt Weltkulturerbe und unser Ortsbild sehr bekannt ist, stellt sich mir schon die Frage, wie denn unsere Bevölkerung auf die Vorgangsweise dieser Firma reagieren würde. Ich vertrat aber dann doch die Ansicht, dass ein so großes Projekt eine enorme touristische Chance für unsere Welterberegion und das gesamte Salzkammergut bedeuten würde, und deshalb standen wir (Marktgemeinde Hallstatt) dem Vorhaben von Beginn an sehr positiv gegenüber.

Frau Wenger hingegen war sehr erbost darüber, dass dies alles, ohne mit den Eigentümern der „Objekte“ gesprochen zu haben, heimlich geschah. Am 16. Juni 2011 informierte sie die Öffentlichkeit (Medien). Ich habe ihr geraten, noch zuzuwarten und den Besuch der Delegation aus China abzuwarten, um klärende Gespräche darüber zu führen. Sie wollte nicht mehr länger zuwarten, und einen Tag später wurde unser Ort von sehr vielen Journalisten regelrecht „gestürmt“.

Auf Grund der vielen internationalen Berichte und des großen öffentlichen Interesses verschoben sich die Besuchstermine bzw. wurde sie dahingehend abgeändert, dass ich als Bürgermeister in Begleitung meiner Frau mit einer kleinen Abordnung der Salinenmusikkapelle Hallstatt (Quintett) zur Eröffnung bzw. zur Unterzeichnung des Freundschaftsabkommens nach China eingeladen wurde. Dieser Besuch fand letztes Jahr (2012) im Juni statt und wir waren von der Qualität der Bauwerke, aber auch von der großen Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wurde, sehr beeindruckt. Der Nachbau erinnert sehr stark an Teile unseres Ortes.

Ich hoffe, dass Hallstatt (Österreich), Boluo (Huizhou) und die Minmetals Land Limited weiter in gutem Kontakt zueinander stehen werden. Im Sinne unseres Freundschaftsabkommens soll eine „partnerschaftliche“ Zusammenarbeit in den verschiedensten Bereichen stattfinden bzw. aufgebaut werden. Für uns als kleiner Ort im Salzkammergut (Österreich) ist es schon eine Ehre, wenn uns diese Aufmerksamkeit und Wertschätzung von China entgegengebracht wird.

Vorerst freuen wir uns auf ein gemeinsames Treffen im heurigen Jahr in Hallstatt. Wir werden Hallstatt präsentieren und haben dann die Gelegenheit, „Verbindendes“ zu definieren und gegenseitige Besuchs- und auch Unterstützungsmöglichkeiten zu vereinbaren. Von österreichischer Seite aus bieten wir unsere jahrzehntelange Erfahrung im Bereich des Tourismus an. Hallstatt und die Welterberegion bietet zu allen Jahreszeiten große Möglichkeiten für seine unterschiedlichsten Gäste. Wir wären jederzeit bereit, entsprechende Angebote zu erstellen und uns unseren Gästen aus China zu widmen. Ein weiterer Schritt könnte ein Kulturaustausch mit der Aufführung von Konzerten, ich denke beispielsweise an das Orchester „Sinfonietta da Camera Salzburg“, in Huizhou sein. Künstlerischer Leiter und Dirigent des Orchesters ist der Hallstätter Peter Wesenauer, der mit der Hallstätter Delegation in Boluo dabei war.

Die Stimmung in Hallstatt zum Thema Nachbildung ist positiv, denn der Großteil unserer Bevölkerung vertritt die Ansicht, dass, man „unser Hallstatt“ ohnedies nicht nachbauen kann. Der Ort ist über Jahrhunderte (eigentlich Jahrtausende – wenn man den prähistorischen Salzbergbau betrachtet; siehe „Hallstattzeit“ 900 bis 400 vor Christus / Hochkultur) so gewachsen, und unsere Bewohner haben auch immer auf die Erhaltung „ihres“ Ortsbildes geachtet.

So wurde beispielsweise Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts (1959-1961) verhindert, dass von unserer Landesregierung (Oberösterreich) eine breite Straße durch den Ort bzw. entlang des Sees durch den Ort gebaut wurde. Es gab bis dahin nur die schmale Straße durch den Ort, und das bedeutete, dass keine Lastkraftwagen und Busse durch das Ortsgebiet von Hallstatt bzw. weiter nach Obertraun fahren konnten. Sehr viele Häuser hätten diesem Projekt weichen müssen. Es gab einen „Aufstand“ und eine Bürgerbewegung (eine der ersten in Österreich) dagegen. Nach einer Bürgerabstimmung und unzähligen Verhandlungen und Gesprächen wurde die für Hallstatt (Ortsbild) bessere, aber doch wesentlich teurere Lösung – nämlich die Tunnelumfahrung – gebaut. Ohne dieser Tunnelumfahrung wäre das gegenwärtige Ortsbild, das sehr bekannt und „beliebt“ ist, nicht mehr „vorhanden“. Eine breite Autostraße (entlang des Sees) würde direkt durch den Ort führen.

Deshalb war auch vor 2 Jahren (2010) die Aufregung und Empörung in der Bevölkerung sehr groß, als geplant war, große Teile Hallstatts (alle Häuser zwischen den beiden Tunnelportalen – also mehr als das gesamte Ortszentrum) unter Denkmalschutz zu stellen. Es gab einen enormen Proteststurm der geschlossen dagegen auftretenden Bevölkerung. Es wäre ein zu großer Eingriff in die Privatsphäre und in die Eigentumsrechte der Menschen gewesen. Die Hallstätterinnen und Hallstätter vertreten zurecht die Auffassung, dass sie immer selbst entsprechend gut auf Hallstatt aufgepasst haben und keine Bevormundung durch eine Behörde (Denkmalamt = Bundesbehörde / Wien) brauchen. Die Medien haben uns entsprechend gut unterstützt und das Vorhaben vorerst „ausgesetzt“. Die damals für den Denkmalschutz verantwortlichen Beamten haben sich übrigens für den Bau der breiten „Seeuferstrasse“ ausgesprochen – es gab also damals keinen entsprechenden „Schutz“ seitens dieser Behörde. – Dies als Beispiel soll man wissen, um unsere Mentalität zu verstehen.

Es gehört also mehr dazu, als einige Dutzend Häuser nachzubauen. Letztlich sind die Leute sogar stolz, dass man sich unseren kleinen Ort in gewisser Weise zum Vorbild genommen hat. Zudem sehen viele Hallstätterinnen und Hallstätter den enormen Werbeeffekt, den das Projekt für unsere gesamte Region hat.“

Impressum: Interview: Thomas Stranig, Text: Vero Neubacher, Bilder: Archiv Marktgemeinde Hallstatt, Ferienregion Dachstein Salzkammergut;